von Wolfram Gruner
Der Kursbeginn war geplant für Samstag, 13 Uhr. Geplant!
Fritz und ich waren schon am Freitagabend angereist und hatten Glück. Erstens einen Tag länger die hervorragende Betreuung durch Bergsteigermutter Rosi im Gasthof Bergfreund zu genießen, und zweitens lagen am Samstagmorgen 30 cm Neuschnee in Herbriggen. Wehe denen, die über Andermatt durch den Furkeverladetunnel wollten. Da ging gar nichts mehr, weil die Straße nach Realp tief unter Lawinen lag.
Andere hatten Problem mit Starkregen und Aquaplaninggefahr, aber das Wetter brachte auch viel Neuschnee in der Höhe mit Lawinenwarnstufe 4. Irgendwann am Nachmittag waren dann doch alle gesund eingetroffen, die Zimmer waren rasch verteilt und der Kurs konnte pünktlich um 13 Uhr ct. ct. ct. ct...... beginnen.
Wie üblich begann der Kurs mit der Vorstellung der Teilnehmer. Wir waren eine quer durch die medizinischen Disziplinen verteilte Gruppe mit Frauen und Männern aus Deutschland und Österreich, mit leichtem Platzvorteil für die Anästhesisten. Die Ausbilder waren Uli Steiner, der Leiter des Kurses, das Urgestein Wolfgang Schaffert sowie die Bergführer Peter Anzenberger, Jan Mersch und Peter Paal für den verletzten Hajo Netzer. Die psychologische Betreuung wurde von Jan Mersch übernommen - hatte damit nach meinem Kenntnisstand allerdings keine Arbeit.
Nach den Eingangsreferaten begann sofort die Gruppenarbeit zu den Themen "Expeditionsvorbereitung", "Material - Apotheke - Aklimatisation", "juristische Aspekte, die für den Expeditionsarzt zu beachten sind" und weiteren mit anschließender Diskussion. Gestärkt wurden wir durch ein sehr gutes Abendessen mit nachfolgendem Vortrag über Expeditionen.
Wolfgang berichtet über Tropenmedizinische Aspekte in der Expedionsmedizin. Es ist immer wieder erstaunlich wie uns Mikroorganismen das Leben selbst in größerer Höhe schwer machen können.
Dann ging es zur Besichtigung der Air Zermatt auf deren Stützpunkt. Der leitende Notarzt hielt ein sehr informativen Vortrag über Technik, Taktik, Finanzen, Erfolge und Probleme der Gesellschaft. Danach verblieb noch Zeit für einen Bummel durch Zermatt. Ein paar Teilnehmer, die nicht wußten wohin mit ihren Schweizer Franken kauften ein. Na ja es verbleibt die Erinnerung an den Kurs und Zermatt. Am Nachmittag dann Gruppenarbeit über Reisekrankheiten, Akklimatisation und Höhentaktik. Und wieder ein Abendessen das über jeden Zweifel erhaben war.
Gleich am Morgen Aufbruch zur Besteigung des Breithorns. Mit Kleinbussen ging es nach Zermatt und durch Zermatt mit Elektroantrieb weiter bis zur Talstation. Wie die Rentner, aber es ging einfach schneller. Dann Fahrt auf das kleine Matterhorn mit Erleben der Höhe von fast 4000 m, aber alle waren gut drauf. Lag es an der Höhe oder am Morgentee? Eine Teilnehmerin verwechselte rechts mit links und fuhr statt nach links zum Breithorn gleich nach rechts in Richtung Zermatt ab, konnte aber wieder eingefangen werden. Ist Zermatt so anziehend?
Die geplante Fixseilbesteigung wurde verschoben zugunsten einer Skibesteigung mit herrlicher Abfahrt über Theodul- und Gornergletscher nach Zermatt. Halt ein Zwischenstopp auf Furi mit reichlich Weißbier durfte ja nicht fehlen.
Abends dann der große Materialcheck, die Grppeneinteilung für die Schneehöhlen und die Verteilung lukullischer Spezialitäten für das geplante Biwak. Tim bekam eine Box mit drei Litern Rotwein in den Rucksack, das sollte sich noch bewähren.
Mit den Kleinbussen ging es nach Saas Fee und nach kurzem Aufwärmmarsch zur Talstation am anderen Ende des Ortes von dort mit der ersten Bahn auf das Felskinn.
Hier wurde die alte Weisheit: erst die Arbeit dann das Vergnügen - wieder mal auf den Kopf gestellt. Unsere Bergführer zogen die Arbeit vor und bauten eine Fixseilanlage am Egginer. Uli und den Teilnehmern blieb das Vergnügen einer Abfahrt zur Mittelstation mit nachfolgendem Aufstieg zum Egginer, es hätte schlimmer kommen können. Dann begann die Akrobatik an den Fixseilen im Mixed- Gelände anschließend die Einweisung in den aktuellen Stand der Spaltenbergung. Hier unterscheidet sich das Deutsche vom Österreichischen System. Nun denn, im Endeffekt zählt doch nur der Erfolg der Bergung.
Nach den praktischen Übungen ging es zur Britanniahütte mit weiteren Einweisungen. Die vorgesehene Tour auf das Rimpfischhorn wurde wegen unsicherer Verhältnisse zugunsten einer Besteigung des Strahlhorns aufgegeben.
In mehreren Gruppen stiegen wir am Mittwoch auf das Strahlhorn mit anschließender herrlicher Abfahrt in meist gutem Schnee. Kleine Passagen mit Bruchharsch sind ja das Salz in der Suppe. Nach einer regenerativen Mittagspause hielt Jan einen Vortrag über die Psychologie und Pathopsychologie einer Gruppe in extremen Situationen.Der Vortrag war excellent mit dem Fazit: Schau genau in den Spiegel und in dich hinein wenn du mit einer Gruppe unterwegs bist. Es kann auch bei ungeahnten Widrigkeiten gelingen.
Mit vollem Gepäck dafür nicht ganz so früh am Morgen stiegen wir auf zum geplanten Biwakplatz am Fuß des Fluchthorns. Ein geeigneter Platz wurde am Grat auf etwa 3300 m entdeckt und die Arbeit an den Schneehöhlen begann. Wir buddelten, polierten, lachten und schwitzten. Nach strenger Bauabnahme mit Verbesserungsvorschlägen-mußte das sein?- gab Uli die Höhlen zur Bewohnung frei. Der architektonischen Phantasie waren keine Grenzen geswetzt, es gab sogar eine Höhle mit Sépareé. Zeitgleich hat Wolfgang einen Tisch mit Sitzbänken für alle aus dem Schnee gegraben und eine Latrine gebaut. Die Teilnehmer mit Platzangst oder sonstigem Freiheitsdrang richteten sich Außenlager ein. Da alle völlig unterfordert waren wurde zum Feierabend noch schnell das Fluchthorn bestiegen mit schöner Abfahrt zurück ins Lager.
Und dann wurde gekocht und zwar Traveller-Dinner vom Feinsten mit Wurst, Speck und anderen lukullischen Genüssen. Und damit sich die Arbeit von Tim gelohnt hat kam Rainer auf die glorreiche Idee die drei Liter Rotwein zu Glühwein zu verarbeiten. Daß diesem kein langes Leben beschieden war stand zu erwarten.
Wir saßen bei Vollmond und sternenklarem Himmel bis spät in die Nacht. Yeti, wie Wofgang inzwischen hieß, erzählte tolle Geschichten und irgendwann kehrte Ruhe ein.
Am nächsten Morgen war ausschlafen angesagt bis die Morgensonne für Firn sorgt. Umso erschütternder der Guten Morgen-Ruf von Jan um 7 Uhr. Das Wetter war schlecht geworden, also frühe Abfahrt nach gutem Frühstück ins Mattmark. Die ersten steilen Meter wurden gesichert dann fuhren wir auf hartem, griffigen Schnee ins Tal bis etwa 500 m vor Saas Almagell.
Ein Teil der Gruppe wurde gleich vom Kleinbus abgeholt die anderen suchten Schutz in der ersten Wirtschaft die offen hatte. Der Wirt stach sogar ein neues Bierfass an. Uns ging es gut. Dann wurden auch wir abgeholt und zu Rosi gebracht die sichtlich froh war daß ihre Mädels und Buben wieder da waren. Die erste Duschmöglichkeit hat wohl niemand verschmäht und nach Wiedererlangen einer olfaktorischen Erträglichkeit gab es zuerst einmal Unterricht. Einweisung und praktische Übungen mit dem Certec-Bag und dem Wenoll O2 System. Clemens war das Opfer im Bag. Er hat alle unseren ärztlichen Bemühungen offenbar ohne größere Blessuren überstanden, welch Kondition! Zum Einstimmen auf den Abschlußabend spielte Rosis Mann sehr schön auf dem Alphorn.Auch wir durften es einmal versuchen das war dann fast so schön.
Am Abend gab es ein schmackhaftes Schweizer Fondue verdünnt mit größeren Mengen Walliser Weins bis früh in den Morgen.
Unser Dank gilt Ulli für die gelunge Organisation und Leitung, unseren Bergführern Peter Jan und Peter und natürlich unserem Yeti Wolfgang für die excellente Betreung und Unterhaltung. Dank der guten Planung und Führung verlief der Kurs sehr entspannt ohne nennenswerte Zwischenfälle, insbesondere ohne Unfälle. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an Rosi und ihr Team. Rosi bleib wie du bist!
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in Innsbruck zur Abschlußprüfung.
Wolfram