Kursbericht - Lawinenmedizin und Kälteschäden 2011 in Sankt Jodok am Brenner

von Jörg Leidenfrost

Kurzum „Schö war´s“, das war die einhellige Meinung aller 17 Lehrgangsteilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Lawinenkurs der Deutschen Gesellschaft für Bergmedizin und Expeditionsmedizin. Dazu beigetragen hat nicht nur das traumhafte Wetter und die beeindruckende Kulisse der Zillertaler Alpen, sondern auch die sehr gute Leitung und Organisation unter der Federführung von Dr. med. Ulli Steiner und Dipl.-Psych. Jan Mersch, sowie die hochkarätige Besetzung der referierenden Gäste. Abgerundet wurde der Lawinenkurs durch das besondere Ambiente im traditionsreichen Bergsteigerhotel das Lamm, der dieser Veranstaltung einen würdevollen Rahmen durch die Herzlichkeit der Wirtsleute Angelika Eller und Hans Peter Huter gab.

Nach der Anreise am Mittwochabend konnten sich die Teilnehmer beim köstlichen Abendmahl etwas näher kennenlernen. Das Eis wurde bereits hier sehr schnell gebrochen, da wir alle gemeinsam an zwei großen Tafeln in der Wirtsstube die traditionell gute Küche genießen durften. Im Anschluss folgte nach einer kurzen Begrüßung und einem Materialcheck die erste Theorieeinheit mit der Beurteilung der aktuellen Lawinenlage sowie dem theoretischen Vorgehen einer LVS Suche.

Nach einem reichhaltigen Frühstück erarbeiteten wir täglich gemeinsam in Kleingruppen mit unseren Bergführern Jan und Ulli die Tourenplanung und das Ziel des jeweiligen Tages. Hierbei wurde viel Wert auf den aktuellen Lawinenlagebericht (LLB) gelegt. Dieser und weitere Faktoren, wie z.B. Wetter (Sicht, Wind, Prognose, Schneefall der letzten Tage und Wochen), Gelände (Steilheit, Exposition, Relief anhand der Karte) und der Faktor Mensch (Gruppe, Führer, Können, Erfahrung, Entscheidungsfindung und Ausrüstung) bildeten exemplarisch die Grundlage für unvergessliche Stunden draußen am Berg.

Da ideale Tourenbedingungen vorlagen, nutzten wir die Tage mit Skitouren und ausführlichen praktischen Übungen voll aus.

Am ersten Tag führte unsere Skitour über das Wildlahnertal bergan zur Großen Mahdalm, wo wir die theoretischen Kenntnisse des Vortags in praktische Fertigkeiten umsetzen mussten. Der richtige Umgang mit dem LVS Gerät stand dabei im Mittelpunkt des Geschehens. Über die Kleegrubenscharte und dem Kaserer Winkl fuhren wir anschließend talauswärts. Trotz fehlenden Neuschnees, gestaltete sich die Abfahrt im schattigen Kar, gerade im oberen Bereich als ideal. Abends referierte Prof. Helmut Biedermann (Universitätsklinik Innsbruck) umfassend über aktuelle Therapiestrategien bei Erfrierungen und bei generalisierter Hypothermie.

Anstrengende und kräftezehrende Schaufelübung

Der Lawinenlagebericht des kommenden Tages war weiterhin bei einem Einser für das gesamte Bundesland Tirol sehr stabil. Das Wetter etwas bewölkt, die Temperaturen für diese Jahreszeit sicherlich zu warm, aber um Skitouren zu gehen ideal, Niederschlag war für die folgenden Tage nicht zu erwarten. Nach Aufstieg im Alpeinertal Richtung Geraer Hütte, erfolgte am Fuße der Scharte des Steinernen Lamm´s, eine anstrengende und kräftezehrende Schaufelübung. Hierbei ist allen Teilnehmern eindrucksvoll bewusst geworden, was es bedeutet ein Loch zu graben, welches lediglich die Dimension von 1,5m x 2m aufweist und die Verschüttungstiefe bei ca. 2m liegen soll. Die lebensrettende Kameradenbergung innerhalb der ersten viertel Stunde, kann ohne zusätzliche Hilfe von außen und ohne koordinierte Schaufeltaktik bei einer Ganzkörperverschüttung dieser Größenordnung nur schwer eingehalten werden. Am Abend wurde nach den interessanten Vorträgen von Sigi Stöckl (Leitender Flugretter Heli 4 Kaltenbach, Schilder Helikopterservice) und Stefan Hochstaffel (Ausbildung Lawinenhundeführer, Tirol) im gemeinsamen Erfahrungsaustausch ausgiebig in der Gruppe mit unseren Bergführern und Referenten über die Thematik der Lawinenverschüttung und Bergung diskutiert.

Der Samstag war für alle Beteiligten ein besonderer Tag. Im Skigebiet Ladurns/Gossensass Pflerschtal erfolgte auf italienischer Seite eine interessante und lehrreiche Simulation einer Lawineneinsatzübung. Hier musste alles Gelernte der vorherigen Tage angewandt werden. Komplexe Ortung bei Mehrfachverschüttung mit anschließender Sondierung und Bergung unter Erhalt der Atemhöhle mit anschließender Erstversorgung. Der Tag wurde am Abend durch den eindrucksvollen Vortrag von Prof. Peter Paal (Universitätsklinik Innsbruck) zum Thema "aktuelle Forschungsansätze in der Lawinenmedizin und zur Pathophysiologie der Lawinenverschüttung" passend abgerundet.

Am Sonntag änderte sich das Wetter mit zunehmendem Nebel in höheren Lagen. Daher unternahmen wir eine kürzere Skitour zum Ausklang der herrlichen Zeit.

Im Namen aller Lehrgangsteilnehmer möchte ich mich recht herzlich bei den Organisatoren und Bergführern Dr. med. Ulli Steiner und Dipl.-Psych. Jan Mersch für die fantastische Zeit bedanken. Ein besonderer Dank gilt den übrigen Referenten und den Wirtsleuten des Gasthofs Lamm sowie den Firmen ABS® und SCARPA®, deren Produkte wir zu Testzwecken verwenden durften.

Lawinen Sondierungsübung

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